Mut zur Freiheit by Park Yeonmi
Autor:Park, Yeonmi [Park, Yeonmi]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Goldmann Verlag
veröffentlicht: 2015-10-25T16:00:00+00:00
KAPITEL 13
Pakt mit dem Teufel
Meine Mutter war erst drei Tage fort, als Zhifang mich vergewaltigen wollte.
Seine Wohnung hatte zwei Schlafräume, die durch einen Flur voneinander getrennt waren. Ich schlief allein, gegenüber von ihm und Young-sun, als er plötzlich im Dunkeln zu mir ins Bett kam. Er stank nach Alkohol, und seine Hände, mit denen er nach mir griff, waren rau. Ich war so geschockt, dass ich sofort nach ihm trat und mich seinem Zugriff entwand.
»Leise!«, flüsterte er. »Du weckst sie auf!«
»Wenn du mich nicht loslässt, schreie ich!«, drohte ich ihm. Widerwillig ließ er von mir ab und ging wieder zu seiner schlafenden Freundin.
Einige Tage später versuchte er es wieder. Dieses Mal hatte er Young-sun mit Alkohol abgefüllt, bis sie bewusstlos war, und dann kam er mitten in der Nacht in mein Schlafzimmer. Wieder wehrte ich ihn tretend, schreiend und mit Bissen ab. Ich dachte, der einzige Weg, mich zu retten, sei, mich wie eine Verrückte aufzuführen. Ich gebärdete mich so wild, dass er wusste, er müsste mich schlimm verletzen oder sogar töten, wollte er seinen Willen durchsetzen. Und dann hätte ich keinen Wert mehr. Also gab er auf.
»Gut«, sagte er. »Aber du kannst hier in dieser Wohnung nicht mehr bleiben. Ich verkaufe dich an einen Bauern.«
»In Ordnung«, entgegnete ich. »Dann verkaufst du mich eben.«
Wenige Tage später tauchte der Mann wieder auf, der meine Mutter ge- und verkauft hatte. Er holte mich ab.
Hongwei war nicht sein richtiger Name, aber er log ohnehin in einem fort. Er erzählte mir, er sei sechsundzwanzig, dabei war er in Wirklichkeit zweiunddreißig Jahre alt. Mein wahres Alter wusste er nicht, denn Zhifang hatte ihm gesagt, ich wäre sechzehn. Niemand sprach die Wahrheit.
Ich bemühte mich zwar, Chinesisch zu lernen, aber ich verstand nur sehr wenig. Deshalb konnten Hongwei und ich uns nur durch Gesten verständlich machen. Er führte mich vor unserer langen Fahrt zum Frühstück in ein Restaurant. Doch ich war so in Panik, dass meine Hände zitterten. Jeder Menschenhändler, auf den ich in China gestoßen war, hatte mich vergewaltigen wollen, und ich nahm an, dass dieser nicht anders war. Hongwei machte mir ständig Zeichen, ich solle essen, aber ich konnte nicht. Obwohl ich noch immer mager und unterernährt war, hatte ich keinen Appetit mehr. Essen war der Grund, weshalb ich nach China gekommen war, und nun bereitete mir allein der Gedanke daran Übelkeit.
Wir nahmen verschiedene Busse für den Weg in Hongweis Stammland, eine Strecke von der alten Stadt Chaoyang bis zum geschäftigen Hafen Jinzhou. Die Busse hielten oft, und bei einem Halt stieg ein Händler ein, der Eiscreme an die Passagiere verkaufte. Hongwei kaufte mir eines. Schon lange hatte ich keines mehr gegessen, und plötzlich hatte ich wieder Appetit. Ich konnte nicht fassen, dass etwas so köstlich schmeckte. Ich aß es ganz auf und aß in Gedanken sogar weiter, als ich es längst verzehrt hatte.
Die Nacht verbrachten wir in einer Pension in einer kleinen Stadt außerhalb von Jinzhou. Bis wir an jenem Abend dort anlangten, war ich schon wieder zu aufgeregt, um irgendetwas zu essen. Darum nahm mich Hongwei mit in einen Laden, um einige Vorräte zu kaufen.
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